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Auch Sperren gegenüber Profisportlern unterliegen einer gerichtlichen Überprüfung (August 2020)
Maximilian Kralik

OGH 27.2.2020, 8 Ob 128/19k:

Der Senat 1 der Österreichischen Fußball-Bundesliga verhängte mit Beschluss vom 12.12.2016 über einen Profifußballer wegen (zumindest versuchten) Spielmanipulationen in 19 Spielen eine Spielsperre für fünf Jahre sowie eine Funktionssperre für zehn Jahre. Der zunächst von demselben Senat gefasste (und vom Protestkomitee bestätigte) Beschluss vom 19.2.2014 über eine Spiel- und Funktionssperre auf Lebenszeit wurde vom Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien für nichtig erachtet. Auch gegen den zweiten Beschluss wandte sich der Spieler an die Gerichte und behauptete die Nichtigkeit des Beschlusses – dies jedoch ohne zuvor das Protestkomitee erneut anzurufen und so den vereinsinternen Instanzenzug auszuschöpfen. Doch auch im zweiten Rechtsgang wurde ihm Recht gegeben.

Der OGH lehnte zunächst den Einwand, dass der Spieler nicht den gesamten verbandsinternen Instanzenzug ausgeschöpft hatte (weswegen ihm der Weg zu den ordentlichen Gerichten noch verwehrt wäre), ab. Zwar gilt für den Spieler grundsätzlich auch das obligatorische Schlichtungsverfahren, dies jedoch nicht aufgrund der gesetzlichen Bestimmung des § 8 VerG (der ja für Streitigkeiten aus dem Vereinsverhältnis zwingend ein Schlichtungsverfahren vorsieht, doch gehörte der Spieler weder seinem Verein noch dem ÖFB als Mitglied an), sondern aufgrund der vertraglich vereinbarten Schlichtungsklausel. Der Spieler hatte sich nämlich im Rahmen seines Spielervertrags und im „Anmeldeschein-Formular für den Vereinswechsel“ u.a. allen Bestimmungen des ÖFB unterworfen, was einer Schiedsklausel gleichkomme. Dennoch hatte der Spieler nicht ein zweites Mal den Weg zum Protestkomitee (also die verbandsinterne Instanz) antreten müssen, da dies wegen des Zeitablaufs schlicht unzumutbar sei. OGH: „Wenn jemand ein gegen ihn wegen bestimmter Vorwürfe ergangenes Straferkenntnis eines Verbandsorgans in dem verbandsintern vorgesehenen Verfahren erfolglos bekämpft und nach Ausschöpfung dieses Rechtszuges das ordentliche Gericht anruft, welches das im Verbandsverfahren ergangene Straferkenntnis ‚aufhebt‘, und hierauf das ‚als erste Instanz‘ zuständige Verbandsorgan abermals ein Straferkenntnis wegen jener Vorwürfe fällt (‚zweiter Rechtsgang‘), so ist es dem Betroffenen hier schon wegen des Zeitablaufs unzumutbar, abermals vor Anrufung des ordentlichen Gerichts den verbandsinternen Instanzenzug auszuschöpfen.“

Weiters wandte die Österreichischen Fußball-Bundesliga ein, dass der Beschluss über die Sperren nicht der gerichtlichen Überprüfung unterliege, da der Spieler gar kein Vereinsmitglied sei. Dem entgegnete jedoch der OGH, dass auch im Fall einer Person (wie dem Spieler), die zwar nicht Mitglied des Vereins ist, sich dessen Reglement aber vertraglich unterworfen hat, die Möglichkeit der vollen Überprüfbarkeit von Vereinsbeschlüssen und verhängten Disziplinarstrafen bestehen muss. Letztlich besitzt der beklagte Verein auch die Disziplinargewalt über Spieler, somit müssen dessen Entscheidungen auch einer gerichtlichen Überprüfung standhalten.

Hinsichtlich der inhaltlichen Beurteilung des angefochtenen Beschlusses kam der OGH zum Ergebnis, dass eine Anklageüberschreitung vorliege, da dem Spieler in der vom Senat 1 behandelten Anzeige vorgeworfen wurde, „zumindest 17 Spiele“ manipuliert zu haben. Der Senat hingegen bejahte in seinem Erkenntnis „bei 19 Spielen“ (zumindest versuchte) Spielmanipulationen des Spielers – und verhängte über ihn hiervon ausgehend die fünf- bzw zehnjährige Sperre. Damit erweist sich jedoch, so der OGH, der Vorwurf des Klägers als berechtigt, dass der Senat 1 durch seinen Beschluss „die ihm von der anzuwendenden ÖFB-Rechtspflegeordnung gesteckten Grenzen überschritt, indem er, obgleich nach der Anzeige lediglich 17 Spiele manipuliert worden sein sollen, seiner Verurteilung versuchte oder vollende Manipulationen von 19 Spielen zugrunde legte“. Der Senat hätte nur im Rahmen der Anzeige entscheiden dürfen, denn gemäß § 81 ÖF-Rechtspflegeordnung gibt es ohne „Anzeige“ kein Verfahren vor dem Strafausschuss – und da die Rechtspflegeordnung von diesem Anklagegrundsatz ausgehe, kann der Senat den Gegenstand des Verfahrens auch nicht ausdehnen. Da der Senat aber die von der Anzeige gesteckten Grenzen überschritten hat, ist der gesamte Beschluss unwirksam.

Nun bleibt abzuwarten, ob es zu einer Verlängerung und einer neuerlichen Beschlussfassung durch den Senat 1 kommt – Elfmeterschießen nicht ausgeschlossen.