Maximilian Kralik
Wer kennt diese Szene nicht im Fußball? Der Gegenspieler gewinnt den Ball und läuft mit vollem Tempo aufs Tor zu. Der Verteidiger erkennt, dass er zu langsam ist, und hat nun zwei Möglichkeit: den Gegenspieler ziehen zu lassen und auf den eigenen Tormann zu vertrauen – oder den Gegenspieler durch ein Foul vom Ball zu trennen. In einem aktuellen Fall hat sich der Verteidiger für Letzteres entschieden, den gegnerischen Angreifer jedoch so erwischt, dass sich dieser schwer verletzte. Der verletzte Spieler klagte darauf hin den Gegenspieler und forderte 12.000 € an Schadenersatz.
Im Verfahren argumentierte der Verletzte damit, dass der Verteidiger keiner Chance mehr hatte, den Ball zu erreichen, sodass es sich beim Verhalten des Verteidigers um einen Regelverstoß handle, der nicht spieltypisch und unangebracht aggressiv gewesen sei. Der Verteidiger hingegen meinte, dass er lediglich den Ball spielen wollte, dann jedoch „über die Beine des Gegners“ gefallen sei. Anmerkung: Wäre das Foul eine „spieltypische“ Situation, so würde nämlich kein Anspruch auf Schadenersatz bestehen – bei untypischem Verhalten jedoch schon.
Die Argumentation des Klägers wurde durch ein Video bestärkt, in dem zu sehen war, dass der Verteidiger tatsächlich keine Chance mehr auf den Ball hatte und sich daher ganz bewusst für das Foul entschieden hatte. Damit liegt jedoch keine „spieltypische“ Situation vor, weshalb das Erstgericht dem Begehren des Klägers stattgegeben hatte.
Erst im Rahmen seines Rechtsmittels gestand der Verteidiger zu, dass es sich um ein absichtliches jedoch „taktisches Foul“ gehandelt habe. Diese Begründung kam allerdings zu spät, denn – dies hat schließlich der OGH (9 Ob 27/20s) bestätigt – dabei handelt es sich um eine unzulässige Neuerung, die keinen Einfluss auf die Beurteilung mehr nehmen kann. Nur das Prozessvorbringen in erster Instanz ist zu berücksichtigen; der Taktikwechsel und die geänderte Argumentation des Verteidigers war zu spät. Der OGH bestätigte damit die Entscheidungen der Unterinstanzen und verpflichtete den Beklagten zur Zahlung von Schadenersatz.
Damit bleibt jedoch eine Frage offen: Stellt ein bewusst begangenes "taktisches Foul“ einen spieltypischen Regelverstoß dar, der die Geltendmachung von Schadenersatz ausschließt? Diese Frage lässt der OGH unbeantwortet. Man wird sie jedoch nicht allgemein beantworten können, denn sie ist stets von der konkreten Spielsituation abhängig. Da es jedoch in der Natur des taktischen Fouls liegt, dass der Gegner eher durch eine geringfügige Regelwidrigkeit am Weiterspielen gehindert wird (das klassische „Trikot-Ziehen“ oder bewusstes Handspiel), wird wohl ein taktisches Foul, das den Gegner gewaltsam zu Fall bringt, nur selten „spieltypisch“ sein. Aber, wie gezeigt: der Videobeweis kann auch vor Gericht erbracht werden.
Daher unser Tipp: Ein bisschen mehr Vertrauen in die eigenen Mitspieler und insbesondere den eigenen Tormann – und selbst im Fall einer Niederlage lässt sich gerade bei einem Hobbyturnier, wie in diesem Fall, der Spielverlust meist durch ein entsprechend geselliges Rahmenprogramm nach dem Spiel ganz gut wegstecken.