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Rat & Tat
Vom Wintersport aufs Segelboot – auch dort lauern Gefahren (29.4.2021)
Maximilian Kralik 

Der OGH hat sich in einer weiteren Entscheidung im Sportrecht mit Schadenersatzansprüchen nach einem Segeltörn auseinanderzusetzen. Sie sehen, wir nähern uns mit großen Schritten dem Sommersport. Der Unfall ereignete sich auf einer Yacht in Kroatien während der Teilnahme an einer Regattaveranstaltung.

Ein einfaches Crewmitglied (die spätere Klägerin) war während der Startvorbereitung für die folgende Wettfahrt an Deck gekommen und hielt sich im (gefährlichen) Schwenkbereich des Großbaums auf, der beweglich am Mast befestigt ist und das dreieckige Großsegel an seinem horizontalen Rand aufnimmt. Vom späteren Erstbeklagten unbemerkt kam es zunächst zu einem „Ausrauschen“ der Großschot (die zur Fixierung des Großbaums dienende Leine hat sich gelockert) und sodann als Folge einer Kursänderung durch den Erstbeklagten zu einem plötzlichen unkontrollierten Überschlagen des Großsegels von einer Schiffseite auf die andere (Patenthalse). Also ganz so, wie man es von Filmen kennt, und vereinfacht gesprochen, schwenkte also plötzlich das Segel von einer Seite zur anderen. Dabei wurde die Klägerin, die sich im Schwenkbereich des Großbaums aufhielt und mit dem Rücken zum Großsegel stand, gegen auf dem Deck befindliche Packkisten geschleudert und schwer verletzt.

Die Klägerin gestand ein Mitverschulden von 1/3 zu, forderte aber Schadenersatz von zwei Crew-Mitgliedern, die aus ihrer Sicht den Unfall zu verschulden hatten.

Erst- und Berufungsgericht erblickten ein (leicht) fahrlässiges Fehlverhalten des Erstbeklagten darin, dass er auf das Ausrauschen der Großschot nicht (durch deren Fixierung) reagiert und sodann die bevorstehende Patenthalse (also das Schwenken des Segels), die als Druckentlastung des Großsegels für ihn spürbar war, nicht antizipiert und durch entsprechende Kurskorrektur verhindert habe. Anders ausgedrückt: Der Erstbeklagte (und zum Zeitpunkt des Unfalls Steuermann) hätte erkennen müssen, dass das Boot in eine Drehbewegung kommt (folglich auch das Segel schwenken wird), und er hätte darauf richtig reagieren müssen.

Die Klägerin habe allerdings nach ihrem seglerischen Ausbildungsstand wissen müssen, dass der Schwenkbereich des Großbaums ein gefährlicher Ort sei (was man auch aus Filmen weiß!), an dem sie sich nicht aufhalten dürfe; auch hätte sie die Entlastung des Großsegels und die sodann drohende Patenthalse wahrnehmen können und sich rechtzeitig bücken müssen.

Die Vorinstanzen kamen somit zu einem Verschulden von 2/3 beim Erstbeklagten und 1/3 bei der Klägerin.

Der Erstbeklagte ging zum OGH und machte geltend, dass es sich im vorliegenden Fall um eine Wettkampfsituation gehandelt habe, in der nur grob fahrlässige oder vorsätzlich begangene Sorgfaltsverstöße Schadenersatzansprüche begründen könnten. Dem widersprachen jedoch die Feststellungen, wonach sich der Unfall gerade zwischen zwei Wettfahrten ereignete. Der OGH verwies in diesem Zusammenhang auf bisherige Rechtsprechung, wonach jedenfalls bei der Sportausübung außerhalb eines Wettkampfs der gegenseitigen Rücksichtnahme ein höherer Stellenwert als während eines eigentlichen Wettkampfs zukomme. Alleine aus der Tatsache der Teilnahme an einer mit gewissen Risiken behafteten Sportveranstaltung kann kein Verzicht auf Schadenersatzansprüche abgeleitet werden. Ein Verschulden des Steuermanns ist daher zu bejahen.

Hinsichtlich des Mitverschuldens der Klägerin führte der OGH aus: Bei Unterlassung von Schutzmaßnahmen zur eigenen Sicherheit ist der Vorwurf des Mitverschuldens begründet, wenn sich bereits ein allgemeines Bewusstsein der beteiligten Kreise dahin gebildet hat, dass jeder Einsichtige und Vernünftige solche Schutzmaßnahmen anzuwenden pflegt. Für Landratten ausgedrückt: Man steht nicht im Schwankbereich des Großsegels. Auch die Klägerin wusste aufgrund ihrer seglerischen Ausbildung, dass der Aufenthalt im Schwenkbereich gefährlich ist. Zugleich durfte sie aber als „einfaches Crewmitglied“ ohne besondere Aufgabe auch darauf vertrauen, dass der Erstbeklagte in seiner Verantwortung als Rudergänger (Steuermann) die nötigen Maßnahmen ergreifen werde, um eine drohende Patenthalse zu vermeiden.