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Sport und Schadenersatz – zwei eher ungewöhnliche Fälle (1.4.2021)
Gunther Gram 

Der Frühling kommt – und trotz Coronabeschränkungen gibt es Möglichkeiten der Sportausübung im Freien. Skateboarden war sowieso immer möglich, wann Hochseilklettergärten wieder betreten (oder besser gesagt: beklettert) werden dürfen, steht in den Sternen. Diese zwei Sportarten haben aber immerhin den OGH in der Vergangenheit beschäftigt und zwar mit folgenden Ergebnissen:

„Skateboardfall“
Ein Zwölfjähriger hat sein Skateboard auf einer ruhigen Siedlungsstraße genutzt. Ein Steinchen hat die Räder seines Skateboards blockiert und er musste nach hinten absteigen; sein Skateboard aber hat dadurch vorwärts beschleunigt und ist in die Kreuzung mit der Bundesstraße gerollt. Dort musste ein PKW eine Vollbremsung hinlegen und der Wagen dahinter auch – aber zu spät und ohne Erfolg bei der Vollbremsung. Der Auffahrende hat dann den Skateboarder auf Schadenersatz geklagt – allerdings ohne Erfolg.

Der OGH hat den „auffahrenden Kläger“ wissen lassen, dass beim Hintereinanderfahren stets ein angemessener Sicherheitsabstand einzuhalten ist, wobei auf den Reaktionsweg abzustellen ist, der benötigt wird, um auf das plötzliche, häufig mit einem Überraschungseffekt verbundene Abbremsen des Vorderfahrzeugs reagieren zu können. Der nachfahrende Kläger aber konnte sein Fahrzeug hinter dem plötzlich vor ihm abgebremsten Fahrzeug nicht mehr rechtzeitig anhalten – der klagende Lenker hat somit entweder einen zu geringen Sicherheitsabstand eingehalten oder er hat zu spät reagiert. Welche der beiden Ursachen (aber eine davon muss es gewesen sein) für das Auffahren ausschlaggebend war, ist irrelevant. Den minderjährigen Skateboarder trifft auch kein Mitverschulden – ein solches würde zwischen einem erwachsenen KFZ-Lenker und einem unmündigen Minderjährigen (nur) dann zuerkannt, wenn sich der Minderjährige besonders leichtsinnigen verhalten hat, was beim Skateboarder offenbar nicht der Fall war.

„Hochseilklettergartencausa“
Eine Pädagogin hat sich bei der Teilnahme an einem von ihrer Hochschule veranstalteten Lehrgang in einem Hochseilklettergarten verletzt. Den Hochseilklettergarten hat die dann beklagte Partei und nicht die Hochschule betrieben; die Hochschule hat sich der Hochseilklettergartenbetreiberin sozusagen „bedient“ (im Rahmen einer mündlichen Vereinbarung), um den Lehrgang („Outdoorpädagogik“) durchzuführen, weil die Hochschule selbst eben weder über einen eigenen Hochseilgarten, noch über entsprechend ausgebildetes Personal verfügt. Die Verletzte hat Schadenersatzansprüche als Teilnehmerin des von der Hochschule im Rahmen ihres öffentlich-rechtlichen Bildungsauftrags abgehaltenen Lehrgangs gegen die in die Durchführung des Lehrgangs einbezogene Betreiberin des Hochseilklettergartens geltend gemacht. Sie hatte aber keinen Erfolg mit ihrer Klage, die sie direkt gegen die Betreiberin des Hochseilklettergartens gerichtet hatte. Der Rechtsweg war dafür unzulässig – sie hätte nach dem Amtshaftungsgesetz vorgehen müssen.

Wesentlich für die Entscheidung des OGH war hier, dass die Betreiberin des Hochseilklettergartens in diesem konkreten Fall „hoheitlich“ gehandelt hat (einige könnten sagen, das kann auch nur Juristen einfallen, aber die – einschlägige – Judikatur hat einen sinnvollen Hintergrund). Jedenfalls ist es mittlerweile ständige Rechtsprechung, dass auch für Klagen gegen juristische Personen des Privatrechts, die für hoheitliches Handeln in Pflicht genommen oder beliehen wurden, der ordentliche Rechtsweg unzulässig ist. Es kommt dabei nur darauf an, ob mit der konkreten Tätigkeit hoheitliche Aufgaben erfüllt werden. Der Lehrgang hat im Rahmen der – hoheitlichen – Hochschulausbildung stattgefunden und war auch im Curriculum des Hochschullehrgangs extra erwähnt; die hoheitliche Aufgabe besteht in der Fort- und Weiterbildung. Ist aber eine Aufgabe ihrem Wesen nach hoheitlicher Natur, so sind auch alle mit ihrer Erfüllung verbundenen Verhaltensweisen als in Vollziehung der Gesetze erfolgt anzusehen, wenn sie nur einen hinreichend engen inneren und äußeren Zusammenhang mit der hoheitlichen Aufgabe aufweisen. „Private“ (im konkreten Fall die Betreiberin des Hochseilklettergartens) handeln dann als „Organe der Hoheitsverwaltung“, auch wenn sie selbst keine Hoheitsakte zu setzen haben bzw. können, sondern ihre Tätigkeit nur in der unterstützenden Mitwirkung bei der Besorgung hoheitlicher Aufgaben und Zielsetzungen besteht und sie in die Erfüllung hoheitlicher Aufgaben eingebunden werden, um andere Organe bei Besorgung hoheitlicher Aufgaben zu unterstützen oder zu entlasten. Es reicht dafür eine „Inpflichtnahme“ („Indienstnahme“) aus, die verschiedene Formen der Mitwirkung Privater an der Erfüllung von Aufgaben öffentlicher Verwaltung, auch der Hoheitsverwaltung, zusammenfasst. Im Unterschied zur Beleihung geht es dabei bloß um unterstützende und verwaltungsentlastende Tätigkeiten; eine Kompetenz zur selbständigen Entscheidung über die Setzung von Hoheitsakten ist damit nicht verbunden. Die Betreiberin des Hochseilklettergartens wäre somit selbstverständlich nicht zur Erlassung eines Bescheids berechtigt gewesen, aber an der hoheitlichen Ausbildungsaufgabe durfte sie mitwirken und Forderungen gegen solche „Mitwirkende“ sind somit aus dem Titel der Amtshaftung geltend zu machen.