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Zur Haftung der Fußballvereine für das Verhalten ihrer Anhänger (8.11.2021)
Gunther Gram 

Im Beitrag Das Stadionverbot und seine rechtlichen Folgen (14.10.2021) hatten wir prognostiziert, dass Vereine durchaus Chancen haben, über sie verhängte – verschuldensunabhängige – Verbandsstrafen an die „Verursacher“ weiterzurreichen (Regress zu nehmen). Dazu, nämlich zur Verhängung einer solchen Verbandsstrafe, liegt nun ein aktueller Beschluss des deutschen Bundesgerichtshofs (BGH 4.11.2021 - I ZB 54/20) vor – die Rechtslage ist jedenfalls vergleichbar und der Beschluss hat daher auch in Österreich Relevanz. Was ist passiert:

Das Sportgericht des DFB hat über die „Profiabteilung“ eines deutschen Fußballvereins (er gehört der vom DFB als Profiliga ausgerichteten dritten Liga an) eine Geldstrafe verhängt – Ursache war, dass im Fanblock pyrotechnische Gegenstände abgebrannt und Gegenstände in Richtung Spielfeld geworfen wurden. Grundlage der Entscheidung des Sportgerichts war, dass gemäß der DFB-Rechts- und Verfahrensordnung (DFB-RuVO) der Fußballverein als Ligateilnehmer für das Verhalten seiner Anhänger bei Heim- und bei Auswärtsspielen verantwortlich ist und bei Verstößen von Anhängern über den Verein eine – verschuldensunabhängige – Geldstrafe verhängt werden kann (somit auch dann, wenn dem Verein selbst gar kein Fehlverhalten vorgeworfen werden kann).

Der Verein hat die Entscheidung beim Ständigen Schiedsgericht bekämpft – freilich erfolglos. Auch der Versuch des Vereins, diesen Schiedsspruch „nach Ausschöpfung des internen Instanzenzugs“ mit gerichtlicher Hilfe aufzuheben, ist ohne Erfolg geblieben und zwar zunächst vor dem Oberlandesgericht Frankfurt und nun auch vor dem BHG. Der BGH hat dazu ausgesprochen, dass ein Ausspruch einer – verschuldensunabhängigen – Verbandsstrafe für Fehlverhalten der eigenen Anhänger nicht gegen den ordre public verstößt. Ein solcher Verstoß wäre aber erforderlich, damit ein Gericht einen Schiedsspruch aufheben könnte. Laut BGH verletzt somit eine verschuldensunabhängige Verbandsstrafe (er begründet das juristisch als „objektive Kausalhaftung für ein Fehlverhalten Dritter) nicht die „geschützte Grundwerteordnung“ (erst dann läge nämlich ein Verstoß gegen den ordre public vor). Die Geldstrafe entsprich laut BHG als präventive Maßnahme auch der Rechtsprechung des Internationalen Sportgerichtshofs (CAS), der das Ziel der verschuldensunabhängigen Haftung nicht in der Bestrafung des Vereins, sondern in der Prävention und Abschreckung sieht. Daher ist laut BGH die über den Fußballverein verhängte Geldstrafe keine strafähnliche Sanktion und dient nicht der Ahndung und Sühne vorangegangenen Fehlverhaltens, sondern soll den künftigen ordnungsgemäßen Spielbetrieb sichern. Sie ist verhängt worden, weil die ergriffenen Maßnahmen nicht ausgereicht haben, um Ausschreitungen zu verhindern und soll dazu anhalten, zukünftig alle zur Verfügung stehenden Mittel einzusetzen, um mäßigend auf ihre Anhänger einzuwirken und so künftige Zuschauerausschreitungen zu verhindern - indem durch ständige Kommunikation mit und in Kontakt zu den Fans befriedend auf diese eingewirkt wird, situationsabhängig geeignete präventive Maßnahmen ergriffen werden. Dadurch sollen die von Anhängern ausgehenden Gefahren für den Wettkampfbetrieb bestmöglich unterbunden werden.

Der österreichische Oberste Gerichtshof (OGH) wird wohl in einem ähnlich gelagerten Fall zu keinem anderen Ergebnis als der BGH kommen. Denn der OGH macht von der ordre-public-Klausel nur sparsamsten Gebrauch. Eine Bestimmung würde gemäß der Rechtsprechung des OGH wegen eines Verstoßes den ordre public nur verletzen (und somit zur Aufhebung eines Schiedsspruchs führen), wenn damit eine eklatante Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit oder des Bestimmtheitsgrundsatzes einherginge und ihre Anwendung das Rechtsempfinden in unerträglichem Maß beeinträchtigt. Die Grundwertungen sind dabei die tragenden Grundsätze der Bundesverfassung (persönliche Freiheit, Gleichberechtigung, Verbot abstammungsmäßiger, rassischer und konfessioneller Diskriminierung), des Privatrechts (Verbot der Kinderehe und des Ehezwanges, Verbot der Ausbeutung der wirtschaftlichen und sozial schwächeren Partei) aber auch des Strafrechts, und des Prozessrechts. Eine schlichte Unbilligkeit des Ergebnisses genügt jedenfalls nicht, sondern es müssten vielmehr die Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung beeinträchtigt sein, damit eine Reglung unanwendbar wäre.